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30 Jahre Friedliche Revolution und Neugründung des Freistaates Sachsen, 90. Geburtstag von Kurt Biedenkopf am 28.01.2020

SLV-Landesvorsitzender Jens Weichelt gratuliert Kurt Biedenkopf; Foto: SLV

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte am 28. Januar 2020 zu einer beeindruckenden Festveranstaltung nach Dresden eingeladen. Nach der Friedlichen Revolution erinnern wir uns in diesem Jahr an die deutsche Wiedervereinigung und die Neugründung des Freistaates Sachsen vor 30 Jahren. An diesen Ereignissen hat Kurt Biedenkopf einen maßgeblichen Anteil und so fand der Festakt an seinem 90. Geburtstag statt. Etwa 1.600 Gäste waren der Einladung gefolgt – mehr als der Veranstalter erwartet hatte. Kurzfristig wurde die Festlichkeit in die Frauenkirche verlegt, der anschließende Empfang fand im Albertinum statt.

Die Liste der Ehrengäste ist lang. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hielt die Festrede, der ehemalige Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert eine Begrüßungsansprache und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer führte ein Gespräch mit dem Jubilar Kurt Biedenkopf. Zu den Gratulanten zählten natürlich Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler, weitere Landtagsabgeordnete und Mitglieder der sächsischen Staatsregierung. Auch die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Thüringen, Reiner Haseloff und Bodo Ramelow, sind nach Dresden gekommen. Die Altbundespräsidenten Horst Köhler und Christian Wulff, die langjährige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die Ex-Ministerpräsidenten von Bayern, Edmund Stoiber, und Thüringen, Bernhard Vogel, waren unter den prominenten Gästen.

Von 1990 bis 2002 war Kurt Biedenkopf der erste Ministerpräsident des wiedergegründeten Freistaates Sachsen. Ingrid und Kurt Biedenkopf sind aufgrund ihres Engagements für den Wiederaufbau Ehrenkuratoren der Stiftung Frauenkirche Dresden. Daher bemerkte Pfarrer Sebastian Feydt zu Beginn der Veranstaltung, die wiedererrichtete Frauenkirche sei „der richtige Ort“ für diese Feier.

„Vor 30 Jahren hat die spektakulärste friedliche Veränderung in der deutschen Geschichte stattgefunden“, sagte Prof. Dr. Norbert Lammert in seiner Begrüßungsrede. Die Friedliche Revolution hat in weniger als einem Jahr zur Wiederherstellung der Deutschen Einheit geführt und er würdigte Kurt Biedenkopf als „einen Mann, der an diesen Prozessen herausragenden Anteil hatte.“

Kurt Biedenkopf feierte dieses 30. Jubiläum und zugleich 90 Jahre seines Lebens. Norbert Lammert hob hervor, dass diese 90 Jahre eine Zeitspanne umfassen, zu denen die schwersten, entsetzlichsten, erstaunlichsten und glücklichsten Jahre der deutschen Geschichte gehören. Die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, gefolgt von einer Zeit der Teilung Deutschlands und Europas, „der bis an die Zähne bewaffneten Militärbündnisse in Ost und West“, und nun seit 30 Jahren ein Einigungsprozess in Deutschland und Europa, dessen Errungenschaften uns inzwischen so selbstverständlich geworden sind, dass uns die Hürden lästig werden. „Jede frühere Generation hätte sich beglückwünscht, wenn sie diese Probleme zu lösen gehabt hätte, die wir heute bewältigen müssen“, mahnte der langjährige Bundestagspräsident. Kurt Biedenkopf habe es immer vermocht, unvermeidliche Veränderungen als Chance zu ergreifen. Er ist ein Baumeister, nicht nur des Freistaates Sachsen, sondern des wiedervereinigten Deutschlands.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gratulierte Kurt Biedenkopf herzlich und richtete sehr persönliche Worte an den Jubilar: „Am Anfang des neuen Lebensjahrzehnts möchte ich dir zu deinem Lebenswerk gratulieren. In der Vielzahl und Breite der Ämter und Funktionen in der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik bis hin zum Amt des Ministerpräsidenten ist dein Wirken einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Du hast dich seit jeher offen für Neues gezeigt und Veränderungen eher gesucht als gescheut – auch auf die Gefahr hin, dabei immer wieder anzuecken.“ Sie bezeichnete Kurt Biedenkopf als leidenschaftlichen Querdenker und zitierte ihn: „Wenn man nicht querdenkt, dann kann einem auch nichts Neues einfallen.“

Die Kanzlerin erinnerte an familiäre Verbindungen zu Sachsen, denn der Vater von Kurt Biedenkopf stammte aus Chemnitz. Kurz nach dem Fall der Mauer folgte Kurt Biedenkopf einer Einladung an die Universität Leipzig. Dazu bemerkte Angela Merkel: „So kam es, dass du 1990 – noch vor der Deutschen Einheit – als erster westdeutscher Professor in Ostdeutschland Vorlesungen gehalten hast. Damals war das noch etwas. Hinterher hat man fast zu viele Westdeutsche gehabt […] Sofern sie exzellent waren, war es ja gut. Aber manche aus den alten Bundesländern haben auch versucht, die, die sie nicht so leiden konnten, sozusagen uns unterzujubeln. Das war dann nicht so toll.“

Mit einem Zitat als Spitzenkandidat der CDU zur Landtagswahl im Oktober 1990 unterstrich die Kanzlerin die starke Verbundenheit des Jubilars zu Sachsen: „Ich bin jetzt Sachse, und ich habe auch die Absicht, genau das zu leben.“ Seine Aufbauleistung für den Freistaat hob sie ganz besonders hervor: „Er verbreitete Aufbruchstimmung und ebnete Sachsens Erfolgen den Weg. […] Kurt Biedenkopf machte nie ein Hehl daraus, dass Reformen nicht nur notwendig sind, sondern durchaus auch schmerzhaft sein können. Er suchte deshalb stets das Gespräch, erklärte, versuchte, die Menschen auf Veränderungen vorzubereiten […] Er bestärkte die Menschen darin, stolz auf Sachsen zu sein. […] Hätte es den Begriff Landesvater nicht schon längst gegeben, dann hätte man ihn damals erfinden müssen. […] Zum Beispiel wuchs das sächsische Bruttoinlandsprodukt während der Regierungszeit von Kurt Biedenkopf von 36 Milliarden auf über 80 Milliarden Euro an. Sachsen gewann mehrere Großinvestoren und damit auch tausende neue Arbeitsplätze. Sachsen ist heute zum Beispiel ein moderner Automobilstandort. Das alles zu erreichen, war alles andere als einfach. Aber wenn es um die Interessen Sachsens ging, legte sich Kurt Biedenkopf auch mit der Europäischen Kommission an, um über Beihilfen zu streiten; das war immer sehr ermunternd. Er legte sich überhaupt mit jedem an, um für Sachsen zu streiten. So setzte er mit seinen drei Regierungen viele Hebel in Bewegung und stellte die Weichen dafür, dass aus Sachsen werden konnte, was es heute ist: eine erfolgreiche Wirtschaftsregion.

Die Großräume Leipzig und Dresden haben heute die stärkste Wirtschaftskraft in Ostdeutschland. […] Forschung und Entwicklung – das war immer dein Ansatz – haben hier auf dem Weg von der Industrie- zur Wissensgesellschaft eine gute Heimat gefunden.“

In ihrer Rede erinnerte sie auch an die Schwierigkeiten der Beibehaltung des Abiturs nach zwölf Jahren: „Als sich zwei neue Bundesländer – nicht nur Sachsen, sondern auch Thüringen – für das Abitur nach zwölf Schuljahren entschieden hatten, hat die Kultusministerkonferenz dies den beiden Ländern dankenswerterweise erlaubt. Ich empfinde es allerdings noch heute als eine ziemliche Zumutung für die beiden Länder, dass man dies mit der Festlegung verbunden hat, die Zahl der Unterrichtsstunden müsse in diesen zwölf Jahren genau die gleiche sein wie in 13 Jahren im Westen. Erst als man in den alten Bundesländern auf die Idee kam, vielleicht auch zu einem Abitur nach zwölf Jahren überzugehen, hat man sich überlegt, dass damit die Kinder dann eigentlich viel zu viel in die Schule gehen müssten. Man hat sich überhaupt so viel überlegt, dass man heute alles rückgängig gemacht hat. Sachsen ist aber weiter beim Abitur nach zwölf Jahren geblieben.“

Die Bundeskanzlerin ließ auch die Schwierigkeiten des Prozesses der deutschen Wiedervereinigung nicht unerwähnt: „Ob in Sachsen oder anderen ostdeutschen Ländern – manche Dinge hatten wir uns einfacher und schneller vorgestellt. Es gibt Menschen, denen es nach 30 Jahren Deutscher Einheit eher schwerfällt, eine so positive Bilanz zu ziehen, wie ich es eben getan habe – die in ihrem Leben vor 30 Jahren auch eine sehr herbe Zäsur erfahren haben, die sich gern mehr eingebracht hätten und die sich in manchen Erwartungen enttäuscht sahen. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir einander gut zuhören und bereit sind zu akzeptieren, dass es ganz verschiedene Lebenserfahrungen gibt.“

Im sich anschließenden Gespräch mit Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer resümierte Kurt Biedenkopf unter anderem die politische Nachwendezeit. Er hat immer den Austausch mit den Bürgern gesucht und damit großes Vertrauen gewonnen. Mit Bescheidenheit reflektiert der Jubilar seine eigene Rolle: „Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass ich etwas gemacht hätte oder meine Regierung, sondern das habt immer Ihr, die Sachsen, gemacht.“ Ob er zufrieden sei mit dem gegenwärtigen Deutschland, erwiderte Biedenkopf „Wenn man anfängt, zufrieden zu sein, dann fällt einem auch nichts mehr ein.“ Ministerpräsident Michael Kretschmer resümierte: „Nur jemand, der so viele Erfahrungen und auch so viele Verbindungen hat wie er, konnte uns so helfen. Es kommt immer auf den Start an. Sachsen hatte einen sehr guten Start in den 1990er Jahren. Das merken wir noch heute.“

„König Kurt“, wie er heute noch anerkennend genannt wird, hat sich im besonderen Maße um den Freistaat verdient gemacht. Noch heute sprechen viele von einem Glücksfall für unser Land, denn unter seiner Führung entwickelte sich Sachsen zum Muster-Bundesland im Osten. Beim festlichen Empfang im Dresdner Albertinum gratulierten zahlreiche Gäste Kurt Biedenkopf zu seinem 90. Geburtstag. Der Landesvorsitzende des Sächsischen Lehrerverbandes, Jens Weichelt, würdigte in seiner persönlichen Gratulation die Verdienste des Jubilars bei der Aufbauleistung im Freistaat Sachsen und wünschte ihm für das neue Lebensjahr vor allem Gesundheit und alles Gute.

Quellen:

www.bundeskanzlerin.de
www.ministerpraesident.sachsen.de
www.kas.de/de/veranstaltungsberichte

Fotos: SLV