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Erfahrungsaustausch zu Gewalt an Schulen

©F. Schneider

Gewalt an Schulen ist ein drängendes Problem, das nicht nur in Deutschland und Sachsen, sondern auch in anderen Teilen der Welt zunimmt. Ein Austausch mit japanischen Bildungsforschern am 28. Februar 2024 in der Landesgeschäftsstelle des Sächsischen Lehrerverbandes lieferte interessante Einblicke in die Herausforderungen und Ansätze der Gewaltprävention.

Im Gespräch mit Prof. Eiji Takahashi (Universität Yamanashi) und Prof. Hiroyuki Fujii (Nihon Fukushi Universität) sowie Karsten Michalke von der TU Dresden tauschten Vertreter des SLV ihre Erfahrungen im Umgang mit Gewalt an Schulen aus. Die Diskussion unterstrich die zunehmende Relevanz des Themas in Japan und das Bestreben der Forscher, durch internationale Einblicke effektive Gewaltpräventionsprogramme zu entwickeln.

SLV-Landesvorsitzender Michael Jung; ©T. Fruß

Zunehmende Gewalt an sächsischen Schulen

In den letzten Jahren wurden vermehrt Fälle von Gewalt an sächsischen Schulen gemeldet. Eine offizielle Statistik gibt es allerdings nicht. Sowohl psychische als auch physische Gewalt gegen Schulpersonal und Schüler haben zugenommen. Der Sächsische Lehrerverband befürchtet jedoch, dass die Dunkelziffer noch höher liegt, da viele Lehrkräfte aus Scham oder Sorge um einen Imageverlust für die betreffende Schule Vorfälle nicht melden. Eine Mitgliederbefragung des SLV im Jahr 2021 bestätigte die subjektive Wahrnehmung, dass die Gewalt während und nach der Corona-Pandemie zugenommen hat.

Gewalt an sächsischen Schulen äußert sich in verschiedenen Formen, darunter antisoziales Verhalten, Vandalismus, Bombendrohungen oder Amokläufe, verbale und psychische Gewalt (insbesondere an Gymnasien) sowie körperliche Gewalt und Drogenmissbrauch (insbesondere an Oberschulen und Förderschulen). Der SLV kritisierte die mangelnde Unterstützung durch das LaSuB und das SMK. Die rechtliche Vertretung durch die Gewerkschaften sei oft nicht ausreichend. Insgesamt benötigten Lehrkräfte mehr Zeit, um Probleme mit Schülern oder Eltern zu besprechen und so Eskalationen zu vermeiden.

Problem der Schulverweigerung

Ein großes Problem seit und nach der Pandemie ist die Schulverweigerung. Im Gegensatz zu Japan waren die Schulen in Deutschland sehr lange geschlossen. Im Rückblick zeigt sich, dass es ein Fehler war, Kinder und Jugendliche der Schule so lange zu entziehen. Dies führte dazu, dass sie in einer entscheidenden Phase ihrer Entwicklung weitgehend auf sich allein gestellt waren, mit einem Mangel an sozialen Kontakten zu Gleichaltrigen und Lehrkräften. Die Konsequenzen waren eine verstärkte Individualisierung, vermehrte psychische Probleme, teils negative Beeinflussung durch die Eltern und exzessiver Konsum von Medien, in denen unter anderem gewaltverherrlichende Sprache und Bilder verbreitet werden. Dadurch sank die Hemmschwelle für verschiedene Formen von Gewalt, sowohl unter Schülern als auch gegenüber Lehrkräften. Pädagogen stehen nun vor der Herausforderung, Kinder und Jugendliche nach der Pandemie abzuholen und ihnen bei der Verarbeitung des medialen Inputs zu helfen.

Eine weitere Herausforderung ist die Integration in den Schulen, insbesondere angesichts steigender Flüchtlingszahlen im Freistaat. Um Gewalttaten zu vermeiden, die häufig aus kulturellen und sprachlichen Barrieren resultieren, bedarf es verstärkter Unterstützung. Verständigungsprobleme stellen speziell an berufsbildenden Schulen, wo vorwiegend erwachsene Schüler vertreten sind, eine Hürde dar. Wenn Worte nicht ausreichen, kommt es zu Trotzreaktionen und Gewalt. Eine erfolgreiche Integration erfordert daher eine gut ausgebaute personelle Infrastruktur an allen Schulen. Dies schließt qualifizierte Fachkräfte wie Sprachmittler, Schulsozialarbeiter und Integrationsbeauftragte mit ein.

Prof. Eiji Takahashi (links) und Prof. Hiroyuki Fujii, ©T. Fruß

Umgang mit Gewalt

In Japan stehen die Schulen vor ähnlichen Problemen hinsichtlich der Zunahme von Gewaltvorfällen, die in einer offiziellen Statistik erfasst werden. Sogenannte „Schulanwälte“ befassen sich mit psychischer Gewalt, die häufig von Eltern ausgeht. Auch gewalttätige Äußerungen von Schülern im Internet, vornehmlich gegen Minderheiten und Lehrkräfte, sind ein Problem und tragen zur Verrohung bei. In Sachsen finden Hassreden nicht nur online, sondern auch im persönlichen Kontakt statt, ohne dass dies Konsequenzen hätte.

Insgesamt fehlt derzeit ein klar definiertes System, das festlegt, welche Sanktionen drohen, wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird. Der Umgang mit Gewaltvorfällen liegt stark im Ermessen der einzelnen Lehrkräfte und variiert dementsprechend. Die Möglichkeit, Vorfälle bei der Polizei anzuzeigen, erweist sich gerade bei Schülern, die noch nicht strafmündig sind, als schwierig.

Der Austausch mit den Bildungsexperten machte deutlich, dass Gewalt an Schulen eine weltweite Herausforderung darstellt. In Sachsen muss die Einbindung und Unterstützung der Lehrkräfte stärker in den Blick genommen werden, um Gewalt wirksam zu bekämpfen. Offene Diskussionen und Lösungsansätze sind notwendig, um Schüler und Schulpersonal zu schützen und ein sicheres Lernumfeld zu gewährleisten.