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Großer Idealismus, enorme Selbstausbeutung

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die vom Deutschen Philologenverband in Auftrag gegebene bundesweite Studie „Lehrerarbeit im Wandel“ bescheinigt den Lehrerinnen und Lehrer an sächsischen Gymnasien ein großes Maß an Idealismus.

Durchgeführt wurde die Studie vom Institut für Präventivmedizin der Universität Rostock und unterstützt von der DAK Gesundheit. Mit bundesweit über 16.000 ausgewerteten Datensätzen der online befragten Gymnasiallehrerinnen und -lehrer ist sie die bisher umfassendste Erhebung zu der Thematik. Für die Durchführung in Sachsen zeichneten der Philologenverband Sachsen und der Sächsische Lehrerverband verantwortlich. Fast 1.000 Gymnasiallehrerinnen und -lehrer beteiligten sich im Freistaat an der Befragung.

Die Freude an der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern ist für die Lehrkräfte an sächsischen Gymnasien der wichtigste Grund für ihre insgesamt hohe Berufszufriedenheit. Daneben schätzen die Lehrerinnen und Lehrer besonders die flexible Zeiteinteilung.

Allerdings ist die Belastungssituation der Lehrkräfte an Gymnasien auch in Sachsen besorgniserregend: Zwei Drittel von ihnen sind durch ihren Beruf hoch oder sehr hoch belastet. Die Hälfte leidet unter Schlafstörungen. Die Gründe hierfür sind vor allem das zu hohe Arbeitspensum und die zu geringen Pausenzeiten im Schulalltag. Mehr als zwei Drittel der Lehrkräfte an sächsischen Gymnasien haben zu wenig Freizeit, um sich ausreichend zu erholen. Zudem wirken sich schlechte Rahmenbedingungen enorm auf die Belastung aus. Mehr als 70 Prozent der Lehrkräfte stehen in ihren Gymnasien unter Dauerstress und haben keine Möglichkeit, sich in Pausen auszuruhen.

Darüber hinaus geben fast alle Lehrkräfte an, trotz Krankheitsgefühl zu arbeiten oder mit der Genesung bis zum Wochenende oder den Ferien zu warten. 40 Prozent der Lehrkräfte (mehr als im Bundesdurchschnitt) gehen sogar entgegen dem ausdrücklichen Rat des Arztes zum Dienst.

Über die Hälfte der sächsischen Gymnasiallehrkräfte belastet außerdem die fehlende Anerkennung ihrer Arbeit durch Vorgesetzte.

Der Wunsch nach einer Absenkung der wöchentlich zu unterrichtenden Stundenzahl wird in Sachsen noch häufiger geäußert als im Bundesdurchschnitt. „Die als nur zeitweilig verkündete, aber seitdem nie zurückgenommene Stundenerhöhung aus den 1990er Jahren ist vielen Lehrkräften noch in bitterer Erinnerung“, so Thomas Langer, Vorsitzender des Philologenverbands Sachsen (PVS) – und zieht das Fazit: „Gymnasiallehrerinnen und -lehrer in Sachsen haben Freude an ihrem Beruf und der Arbeit mit ihren Schülerinnen und Schülern. Für ihre bewundernswerte Einstellung erfahren sie aber zu wenig Anerkennung und Fürsorge. Es kann nicht sein, dass das erfolgreiche sächsische Gymnasium nur durch Selbstausbeutung und chronische Überlastung seiner Lehrkräfte funktioniert!“

Langer fordert: „Vor allem brauchen wir eine zügige Rückkehr zum Regelstundenmaß von 24 Wochenstunden!“

Jens Weichelt, Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes (SLV), erklärt: „Unsere Bildungserfolge resultieren in erster Linie aus dem überdurchschnittlichen Engagement der Lehrerinnen und Lehrer. Den ständig steigenden Aufgaben und Herausforderungen im Schulalltag muss durch Entlastungen an anderer Stelle begegnet werden. Dazu zählen insbesondere die Klassenleiterstunde, die Minderung des Regelstundenmaßes und Anerkennung der Übertragung besonderer Aufgaben durch höherwertige Stellen und Zeitkontingente.“

Die Verbesserung der Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit der Lehrkräfte (zum Beispiel durch die bessere Bezahlung von Verantwortungsträgern), die Entlastung von Aufgaben durch den Ausbau von Unterstützungssystemen, die Entwicklung von Personalführungskompetenz der Lehrkräfte in Leitungsfunktionen und Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Lehrerinnen und Lehrer sind weitere Forderungen, die beide Lehrerverbände nennen.

„Die sächsische Bildungspolitik darf den Idealismus der Gymnasiallehrerinnen und -lehrer nicht länger ausnutzen!“, bekräftigen Thomas Langer und Jens Weichelt.