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Im Gespräch mit den Staatsministern Christian Piwarz und Sebastian Gemkow

©Alexandra Pfeifer

Mit dem Anliegen, die politischen Akteure der Lehrerbildung in Sachsen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam den Status Quo sowie notwendige Maßnahmen für die Zukunft der angehenden Lehrerinnen und Lehrer zu diskutieren, kamen Mandatsträger des SLV am 20. Juni 2022 in Dresden mit Vertretern aus dem SMK und SMWK zusammen. Neben Christian Piwarz, Sächsischer Staatsminister für Kultus, und Sebastian Gemkow, Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft, nahmen auch Dr. Ronald Werner (SMWK, Abteilung 3), Petra Zeller (SMK, Referat 24), Béla Bélafi (SMK, Abteilung 2) und Björn Schaarschmidt, persönlicher Referent des Kultusministers, an dem Gespräch teil.

Eine bedarfsgerechte Lehrerversorgung für ganz Sachsen bleibt die größte Herausforderung für alle Beteiligten. Um perspektivisch im gesamten Freistaat qualifizierten Nachwuchs einstellen zu können, sind neue Wege in der Lehrerausbildung dringend notwendig. Dazu gehört, dass mehr und am Bedarf der konkreten Fächer und Schularten ausgebildet wird. Es müssen mehr sächsische Abiturienten für ein Lehramtsstudium gewonnen werden. Der Zugang zum Lehramt muss erleichtert und die Bestehensquote erhöht werden. Außerdem ist die Regionalisierung der Lehrerausbildung weiter voranzutreiben.

Finanzierung der Lehrerbildung und Bewerberlage an den Universitäten

Zu Beginn des Gesprächs erläuterte Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow grob die Finanzierung der sächsischen Hochschulen und damit der Lehrerbildung im Freistaat. Demnach fließen die meisten Mittel aus dem mit dem Bund geschlossenen Zukunftsvertrag „Zukunft und Lehre“. Die Zuweisung der finanziellen Ressourcen durch das SMWK an die einzelnen Hochschulen im Freistaat ist an die Erfüllung der geschlossenen Zielvereinbarungen – beinhaltet u. a. die Ausschöpfung der Immatrikulationszahlen – geknüpft.

Sorgen bereitet Staatsminister Sebastian Gemkow derzeitig vor allem der Rückgang der Bewerberzahlen für ein Studium in Sachsen. So wurden die Studienplatz-Kapazitäten im Jahr 2021 erstmalig nicht vollständig ausgeschöpft. Insbesondere bei den sächsischen Bewerbern ist ein Schwund von mehr als zehn Prozent zu verzeichnen. In einer weiteren Regionalisierung der universitären Lehrerausbildung, z. B. durch Außenstellen in Ost- und Westsachsen, sieht Sebastian Gemkow kein geeignetes Mittel, um mehr Abiturienten aus Sachsen für ein Lehramtsstudium zu gewinnen. Offen zeigte er sich aber für die Schaffung von Anreizmodellen für Studierende, die bereit sind, nach Abschluss der Lehrerausbildung für eine gewisse Zeit in ländlichen Regionen zu unterrichten.

Erhöhung der Bestehensquote im Lehramt

Kultusminister Christian Piwarz warf die berechtigte Frage auf, wie mehr Bewerber für ein Lehramtsstudium gewonnen und Studienabbrüche verhindert werden können. Er plädierte für Auswertungsgespräche mit den Hochschulen, um die Gründe für Abbrüche, Studiengangwechsel u. Ä. evaluieren zu können.

Um Studienabbrüche zu verhindern, sind aus Sicht des SLV weitreichende Reformen der Lehrerausbildung notwendig. Studieninhalte – vor allem in den MINT-Fächern – sollten nicht hochkomplex und wissenschaftlich sein, sondern müssen sich viel mehr an den Bedürfnissen der angehenden Lehrkräfte und der tatsächlichen Unterrichtspraxis orientieren. Petra Zeller, Leiterin des Referats Lehrerbildung im SMK, schlug zusätzlich eine bessere Begleitung während des Lehramtsstudiums vor. Außerdem könne man gemeinsame Vorlesungen für Lehramts- und Fachstudierende anbieten, aber getrennte Seminare mit mehr didaktischen Inhalten speziell für Studierende im Lehramt in Erwägung ziehen.

Die Vermittlung didaktischer Inhalte muss im Mittelpunkt des Lehramtsstudiums stehen. Dr. Ronald Werner, Abteilungsleiter Hochschulen im SMWK, erläuterte diesbezüglich die Aufgabe des Hochschuldidaktischen Zentrums und die Rolle der Zentren für Lehrerbildung. Ihr Einfluss gegenüber den Fakultäten soll künftig verstärkt werden und die Didaktik an den Universitäten an Bedeutung gewinnen. Damit einher geht auch die Suche nach qualifiziertem Lehrpersonal, die sich vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Verbeamtung bei der Tätigkeit an den Schulen und befristeter Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen zunehmend schwieriger gestaltet.

Handlungsbedarf sieht der SLV auch bei den zu hohen Zulassungsvoraussetzungen für ein Lehramtsstudium, z. B. Sprachkenntnisse für bestimmte Fächer oder die Beherrschung mehrerer Instrumente für das Fach Musik. Lehramtsstudierende für ein Fach dürfen den Fachstudierenden nicht gleichgestellt werden. Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow sagte zu, Überlegungen zur Absenkung der Zugangsvoraussetzungen in den Gesprächen mit den Hochschulen anzubringen.

Mehr verpflichtende Praxisanteile (z. B. Praxissemester) im Studium, die auch schulartfremd und sachsenweit zu absolvieren sind, ermöglichen den angehenden Lehrkräften, das eigene pädagogische Handeln zu erproben und frühzeitig die Eignung für den Lehrerberuf zu überprüfen. Kultusminister Christian Piwarz warnte davor, das Lehramtsstudium mit Praxisanteilen zu überfrachten und verwies stattdessen auf den Vorbereitungsdienst an den Schulen, der im Grundschulbereich mittlerweile auch in Löbau und Annaberg absolviert werden könne. Aus Sicht des SLV muss auch hier eine Regionalisierung für weitere Schularten stattfinden.

Bedarfsgerechte Lehrerausbildung

Einen weiteren Schwerpunkt des Gesprächs bildete die gezielte Lenkung der angehenden Lehrerinnen und Lehrer in die Fächer und Schularten mit großen Bedarfen. Prinzipiell sei dies laut Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow über die Zielvereinbarungen mit den lehrerbildenden Hochschulen geregelt. Das SMK ermittelt die schulart- und fächerspezifischen Bedarfe, stimmt sie mit dem SMWK ab und basierend darauf werden die Ziel-Vorgaben für die Hochschulen getroffen. Diese seien laut Sebastian Gemkow sehr bemüht, im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten bedarfsgerecht auszubilden. Solange die Kapazitäten an den Universitäten vorhanden sind, werden Studienbewerber aufgrund der Hochschulzugangsfreiheit aber auch weiterhin an den Bedarfen vorbei in ihren Wunschstudienrichtungen immatrikuliert.

Aus Sicht des SLV müssen sich die Zielvereinbarungen mit den Universitäten künftig stärker an der Zahl erfolgreicher Absolventen an Stelle der Studienanfänger orientieren. Nur so kann die Bestehensquote in den Lehramtsstudiengängen – auch in den Bedarfsfächern – erhöht werden.

Sorgenkind Lehramt Sonderpädagogik

Sachsen hat hervorragende Förderschulen, deren Schülerzahlen seit Jahren stabil sind. Aber auch hier fehlt es in jedem Einstellungsverfahren an grundständig ausgebildeten Bewerbern. Zur Umsetzung der Inklusion und individuellen Förderung der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen im Freistaat sind weitere sonderpädagogische Lehrkräfte notwendig (mindestens eine pro Schule).

Problematisch ist, dass sich die Ausbildung im Lehramt Sonderpädagogik auf den Standort Leipzig beschränkt und Studierende nach Abschluss des Studiums auch nur in der Universitätsstadt arbeiten möchten. Außerdem stammt ein Großteil der Sonderpädagogik-Studierenden in Sachsen aus anderen Bundesländern, weil der Studiengang bundesweit nur in sechs weiteren Ländern angeboten wird. Auch diese Absolventen sind meist nicht bereit, im sächsischen Schuldienst tätig zu werden, sondern kehren in ihre Heimatorte zurück.

Lösungsstrategien sieht der SLV vor allem in einer Dezentralisierung der sonderpädagogischen Lehrerausbildung durch die Einrichtung universitärer Außenstellen in Ost- und Westsachsen. Auch die Ausweitung der Lehrämter an der TU Chemnitz auf den Studiengang Sonderpädagogik ist eine geeignete Maßnahme, um dem Bewerbermangel an den Förderschulen zu begegnen. Denn die Erfahrungen aus der Grundschullehrerausbildung in Chemnitz zeigen, dass der Klebeeffekt funktioniert und Studierende nach Abschluss des Studiums in der Region bleiben. Um mehr sächsische Bewerber für den Studiengang Lehramt Sonderpädagogik zu gewinnen, müssen zusätzliche Anreize in Form von Stipendien oder Initiativen ähnlich der im Koalitionsvertrag verankerten Sächsischen Landarztquote geschaffen werden.

Seiteneinstieg in den Lehrerberuf

Seit dem Schuljahr 2014/2015 ist Sachsen auf Seiteneinsteiger angewiesen. Ihre Ausbildung ist nicht nur kostenintensiv, sondern stellt auch eine Doppelbelastung für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen dar, die mit der Lehrerausbildung betraut sind. Hinzu kommt, dass immer mehr Seiteneinsteiger ohne entsprechende Lehrbefähigung an den sächsischen Schulen unterrichten. Deshalb fordert der SLV, dass – neben der dreimonatigen Einstiegsqualifizierung – auch die wissenschaftliche Ausbildung an der Universität und der berufsbegleitende Vorbereitungsdienst unmittelbar und verpflichtend nach Einstellung in den Schuldienst absolviert werden muss. Dafür ist sicherzustellen, dass ausreichende Ausbildungskapazitäten für Seiteneinsteiger zur Verfügung stehen.