Die neue Weisung des Landesamtes für Schule und Bildung zur Integration zugewanderter Schülerinnen und Schüler stößt auf massive Kritik und Unverständnis. Das Schulleiter-Schreiben vom 16. Januar 2025 sorgte für berechtigten Unmut bei allen Beteiligten. Die geplante „Straffung“ des Integrationsverfahrens geht weit an der Realität der Schulen vorbei und droht, sie vor unlösbare Herausforderungen zu stellen.
Integration per Fristsetzung? Das kann nicht funktionieren!
Ab dem Schuljahr 2025/2026 sollen alle zugewanderten Kinder, die zwei Jahre oder länger eine Vorbereitungsklasse besucht haben, in eine Regelklasse wechseln – unabhängig von ihren Sprachkenntnissen. Die Entscheidung über die Schulart und den Bildungsgang soll im Rahmen einer verpflichtenden Bildungsberatung fallen. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern müssen bis Mitte Februar 2025 beraten werden, die Ergebnisse sind bis Ende Februar im Schulportal zu dokumentieren.
Besonders problematisch: Viele der zugewanderten Kinder kommen erst in Klasse 3 an eine Schule und haben keinerlei Vorerfahrung. Wie sollen sie innerhalb von zwei Jahren Deutsch lernen, Schreiben und Lesen erwerben und gleichzeitig dem Fachunterricht folgen? Lehrkräfte stehen ohnehin vor der Aufgabe, in überfüllten Vorbereitungsklassen bis zu 28 Kinder aus unterschiedlichen Herkunftsländern zu unterrichten – mit völlig unterschiedlichen Lernvoraussetzungen.
Gleichzeitig sollen zugewanderte Kinder, die keinen Platz in einer Vorbereitungsklasse erhalten oder in die erste Klasse eingeschult werden, direkt in Regelklassen integriert werden. Ihr Deutschunterricht kann schulübergreifend organisiert werden – je nachdem, ob eine entsprechende Lehrkraft verfügbar ist.
SLV-Kritik: Realitätsferne Vorgaben mit drastischen Folgen
Die neue Regelung setzt Lehrkräfte, Schulleitungen und Schülerinnen und Schüler massiv unter Druck. Gute Integration gelingt nicht auf Knopfdruck. Es wird völlig ignoriert, dass sich der Erwerb der deutschen Sprache nicht an starren Fristen orientiert. Wer Kinder nach zwei Jahren ungeachtet ihres Sprachniveaus in Regelklassen schickt, riskiert Überforderung und Bildungsrückschritte. Echte Chancengerechtigkeit sieht anders aus.
Hinzu kommt: Viele Regelklassen sind bereits jetzt am Limit. Auch die personelle Ausstattung an Sachsens Schulen ist weiterhin unzureichend. Lehrkräfte arbeiten an der Belastungsgrenze und weit darüber hinaus. Die zusätzlichen Anforderungen durch die verpflichtenden Bildungsberatungen und den beschleunigten Übergang in Regelklassen verschärfen die Situation zusätzlich. An den vom SLV geforderten Entlastungsmaßnahmen und unbefristet eingestellten Assistenzkräften mangelt es an vielen Schulen.
Nichtsdestotrotz hält das Kultusministerium an seiner Absicht fest, die abgesenkten Klassen- und Gruppenobergrenzen für Vorbereitungsklassen um ein weiteres Jahr auszusetzen.
SLV setzt auf konstruktive Gespräche und fordert tragfähige Lösungen
Der SLV warnt davor, bildungspolitische Versäumnisse und die jahrelange Weigerung, ausreichend Lehrkräfte auszubilden und einzustellen, auf dem Rücken der Schulen, der Kinder und des gesamten schulischen Personals auszutragen. Das Kultusministerium muss die neuen Vorgaben dringend überdenken. Integration darf nicht zu einem reinen Verwaltungsakt verkommen – sie muss sinnvoll und machbar sein. Dafür braucht es realistische Zeitpläne, zusätzliches Fachpersonal, ausreichend Lehrkräfte und angemessene Rahmenbedingungen.
Der SLV setzt sich für eine konstruktive Lösung ein und steht im Austausch mit den politischen Verantwortlichen. Anfang März 2025 wird diese Thematik auch im Lehrerhauptpersonalrat im SMK besprochen.
„Wir fordern eine Bildungspolitik, die eine ehrliche Integration und Migration will und die Schulen unterstützt, statt sie vor unlösbare Aufgaben zu stellen – junge Menschen brauchen eine echte Chance, in Sachsen anzukommen und sich zu integrieren!“, konstatiert Landesvorsitzender Michael Jung.