Das Positionspapier des Fachverbandes Grundschulen formuliert klare Forderungen zur Stärkung der Grundschulbildung in Sachsen und zur Anpassung an die aktuellen pädagogischen Herausforderungen.
Die Grundschule ist die einzige Schulart, in der alle Kinder gemeinsam lernen. Kinder unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion, aus verschiedenen sozialen Schichten, mit und ohne Beeinträchtigungen kommen hier zusammen, um miteinander und voneinander zu lernen. Die Grundschule als erste Stufe der schulischen Bildung trägt die Verantwortung für die Vermittlung grundlegender fachlicher, methodischer, medialer, sozialer und personaler Kompetenzen. Sie knüpft an die frühkindlichen Bildungsprozesse im Elementarbereich an und schafft die Voraussetzungen für das Lernen in der Sekundarstufe.
In der Grundschule werden die Grundlagen für die Zukunft der Kinder gelegt. Dies stellt die Grundschullehrkräfte vor besondere Herausforderungen. Die Grundschule schafft die Basiskompetenzen, auf denen die weiterführenden Schulen aufbauen und hat die große Aufgabe, die Kinder am Schulanfang in ihrer Individualität anzunehmen, sie zu begleiten und auf den gezielten Übergang nach der Grundschule vorzubereiten. Deshalb muss die Ausstattung und Wertschätzung dieser Schulart ihrer Bedeutung entsprechen. Was hier versäumt wird, ist später kaum oder nur schwer aufzuholen.
Bildung ist ein Prozess und ein Recht von Geburt an. Familie, Krippe, Kita, Hort und Grundschule tragen die gemeinsame Verantwortung dafür, dass der Grundstein für eine kontinuierliche Bildungsbiografie gelegt wird.
Kitas und Grundschulen erfüllen einen gemeinsamen Bildungsauftrag. Für eine bestmögliche Förderung der Kinder muss die Anschlussfähigkeit sichergestellt, Bildungsprozesse miteinander abgestimmt und Bildungsangebote aufeinander aufgebaut werden.
Neben der Familie brauchen die Kinder für einen bestmöglichen individuellen Lern- und Entwicklungsprozess gut ausgebildete pädagogische Fachkräfte. Dort, wo für die Förderung der Kinder interne Ressourcen nicht ausreichen, müssen externe Unterstützungssysteme zum Tragen kommen.
Wir fordern eine Unterrichtsversorgung mit ausreichenden und gut ausgebildeten Grundschullehrkräften sowie Unterstützung durch qualifiziertes pädagogisches Personal und Assistenzkräfte. Geeignete Seiteneinsteiger müssen entsprechend ausgebildet werden.
Die Zahl verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler nimmt stetig zu und erschwert zunehmend den Grundschulunterricht. Es besteht ein erhöhter Beratungsbedarf der Eltern. Lehrkräfte sehen einen hohen Bedarf an Austausch mit außerschulischen Institutionen wie Jugendämtern, Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, Sozialraumteams, verschiedenen Beratungs- und Unterstützungssystemen. Wir fordern daher neben der Absenkung der Unterrichtsverpflichtung auch eine Absenkung der Klassengröße auf maximal 25 Schüler.
Grundschullehrkräfte haben nach wie vor die höchste Unterrichtsverpflichtung und sind damit im Vergleich zu anderen Schularten schlechter gestellt. Daher ist eine Absenkung der Pflichtstundenzahl auf 26 Wochenstunden für Grundschullehrkräfte notwendig. Außerdem fordern wir die Einführung einer Klassenleiterstunde.
Wir plädieren ausdrücklich für die Beibehaltung der Kopfnoten. Sie geben Schülern und Eltern einen ersten Überblick über die jeweiligen sozialen Kompetenzen und außerfachlichen Fähigkeiten. Sie dokumentieren auch das Bemühen der Schule, neben der Wissensvermittlung den Erziehungsauftrag zu erfüllen.
Anhand der Noten erkennen Kinder und Eltern den Stand der Erreichung von Entwicklungszielen. Ebenso wie das erworbene Fachwissen einer Benotung unterliegt, muss auch die wachsende und sich entwickelnde Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler bewertet werden. Vorbildliches Verhalten wird gewürdigt, Defizite werden aufgezeigt. Das ist Anerkennung und Ansporn zugleich. Dabei dienen Kopfnoten nicht der Bloßstellung oder Bestrafung von Schülern, die Schwächen in Mitarbeit, Betragen, Ordnung und Fleiß haben. Umgekehrt sind Kopfnoten ein positiver Vermerk im Zeugnis eines Schülers, der sich sehr bemüht, aber in den Hauptfächern Probleme hat.
Für die Leistungsbewertung in den Fächern ist eine zentrale Vorgabe notwendig, wie viele Noten in den einzelnen Fächern mindestens erreicht werden müssen und in welchem prozentualen Verhältnis sie zur Endnote stehen. Dies ermöglicht Eltern und Schülern eine bessere Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Schullaufbahnberatung.
Vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen ist eine dringende Überarbeitung der Lehrpläne erforderlich, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden. Dabei ist der Erwerb sozialer Kompetenzen mit einem klaren Fokus auf gemeinschaftlich anerkannte demokratische Werte unverzichtbar. Um eine breite Palette an methodischen Unterrichtsangeboten sowie Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten zu gewährleisten, bedarf es einer Anpassung der Angebote an die Anforderungen einer sich verändernden Welt. Das vermittelte Wissen sollte bedeutsame und sinnvolle Verbindungen zwischen Konzepten, Ideen und Sachinformationen herstellen und praxisrelevant sein.
Die Förderung von Lernkompetenz als zentrale Voraussetzung für selbstbestimmtes Lernen ist im Lernprozess unerlässlich und stellt eine Schlüsselqualifikation für den Aufbau von Wissen und die Entwicklung von Kompetenzen dar. Schüler sollten in der Lage sein, das Lernen vorzubereiten, Lernhandlungen durchzuführen, das Lernen zu regulieren, Lernleistungen zu bewerten und die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Ein systematischer Aufbau von Methodenkompetenz ist entscheidend, um Aufgaben und Anforderungen erfolgreich zu bewältigen.
In keiner Schulform ist die Heterogenität der Schülerschaft so groß wie in den Grundschulen. Die Herausforderung der Inklusion und Integration erfordert mehr Unterstützung. Hinzu kommt, dass aufgrund des Lehrkräftemangels immer häufiger nicht ausreichend qualifiziertes Personal an den Schulen eingesetzt wird, um den Regelbetrieb aufrechtzuerhalten. Viele Kolleginnen und Kollegen an Grundschulen fühlen sich in ihrer täglichen Praxis oft allein gelassen und als Lehrkräfte zweiter Klasse. Sie müssen in immer kürzerer Zeit immer mehr leisten. Grundschulen brauchen die besten Rahmenbedingungen, um ihre wichtige Aufgabe erfüllen zu können. Wir fordern den Einsatz von Sonderpädagogen auch an Grundschulen und ausreichend Inklusionsassistenten, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
Über den Bezug zur eigenen Lebenswelt können bereits Grundschulkinder Umweltbewusstsein und Kompetenzen für die nachhaltige Gestaltung ihres Lebensumfelds erwerben. Deshalb ist das Thema Nachhaltige Entwicklung stärker im sächsischen Bildungsplan der Grundschulen zu verankern. Damit sich Grundschulen entsprechenden Unterrichtskonzepten öffnen und Nachhaltigkeitsaspekte im Grundschulalltag umsetzen können, sind entsprechende Ressourcen bereitzustellen.
Die Allgegenwärtigkeit digitaler Medien und ihr vielfältiges Angebot bietet Kindern im Grundschulalter neue Potenziale, stellt die Schulen aber auch vor große Herausforderungen. Die Förderung von Kompetenzen zum Umgang mit digitalen Medien in der Grundschule erfordert klare Bildungsstandards und die Überprüfung ihrer Umsetzung.
Jedes Kind im Grundschulalter soll in der Grundschule Zugang zu verschiedenen Medien haben, sowohl analog als auch digital.
Besondere Bedeutung kommt der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften zu, mit Fokus auf medienpädagogische und mediendidaktische Kompetenzen sowie einer effektiven Vernetzung der engagierten Lehrkräfte in diesem Bereich.
Wir fordern neben der schulinternen medienpädagogischen Betreuung eine externe Systembetreuung, die neben der technischen Expertise auch Verständnis für die pädagogischen Anforderungen mitbringt. Hierfür sind entsprechend der Anzahl der Geräte ausreichend Anrechnungsstunden vorzusehen.
In der Lehrerausbildung ist es wichtig, sich an den konkreten Aufgaben zu orientieren, mit denen Lehrkräfte im Berufsalltag konfrontiert sind. Hierbei sollten der Bezug zur Lebenswelt und Handlungsorientierung im Vordergrund stehen, um den sich wandelnden Bildungsansprüchen gerecht werden zu können. Besonderer Wert muss auch auf die Entwicklung des beruflichen Selbstkonzepts im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung gelegt werden.
Neben der pädagogischen Kompetenz ist die fachliche Kompetenz der Lehrkräfte von zentraler Bedeutung für die Qualität der Bildung in der Primarstufe. Nur wenn fachliche und methodische Kompetenzen in der Primarstufe kompetent vermittelt werden, ist eine erfolgreiche Arbeit in der Sekundarstufe möglich. Dabei spielt die Zusammenarbeit im Team eine wichtige Rolle. Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst müssen daher zu kooperativer Teamarbeit und Planung befähigt werden. Sie müssen im Umgang mit schwierigen Schülerinnen und Schülern geschult werden und Beratungskompetenz erwerben.
Die Ausbildung für das Grundschullehramt sollte dahingehend weiterentwickelt werden, dass an den sächsischen Universitäten auch duale Studiengänge angeboten werden. So können die Studierenden bereits ab dem ersten Semester praktische Erfahrungen im Schulalltag sammeln.
Vor dem Hintergrund der Zuwanderung und einer immer heterogener werdenden Schülerschaft an den Grundschulen müssen Interkulturelle Bildung und Sprachförderung im Sinne von Mehrsprachigkeit Bestandteile der Lehrerausbildung und von Weiterbildungsangeboten sein.
Den Lehrkräften an Grundschulen müssen vielfältige Aus- und Fortbildungsangebote zur Verfügung stehen, die sie sowohl in der unterrichtsfreien Zeit als auch während der Unterrichtszeit wahrnehmen können.
Schulleitungen, Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte in Schulen stoßen vermehrt an ihre Belastungsgrenzen und erleben eine Kluft zwischen ihren beruflichen Standards und den wachsenden, sich wandelnden Herausforderungen ihres Berufsfeldes. Besorgniserregend ist auch, dass Leitungsfunktionen in Grundschulen zunehmend schwer zu besetzen sind.
Die Schulleitungen der Grundschulen müssen von administrativen Aufgaben entlastet und gestärkt werden. Für Leitungsaufgaben sind zusätzliche Zeitressourcen erforderlich. Wir fordern eine deutliche Erhöhung der Anrechnungsstunden für Schulleitungen. Jede Grundschule mit mehr als 80 Schülerinnen und Schülern muss über eine Stellvertretung mit entsprechenden Anrechnungsstunden verfügen. Weitere Funktionsstellen müssen geschaffen werden, um die Schulentwicklung voranzutreiben.
Außerdem sollen mehr Schulverwaltungsassistenten eingestellt werden, um Verwaltungsaufgaben wie Ganztagskoordination oder digitale Verwaltung delegieren zu können und damit die Schulleitungen zu entlasten.
Um bessere Bildungsarbeit leisten zu können, brauchen die Grundschulen mehr Eigenverantwortung vor Ort, insbesondere in Fragen der Schulorganisation, des Ressourceneinsatzes und der Personalführung. Für diese zusätzliche Verantwortung müssen entsprechende Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Um auch in Zukunft wohnortnahe Schulen erhalten zu können, müssen regionale Lösungen ermöglicht werden. Der Erhalt kleinerer Standorte, insbesondere im ländlichen Raum, soll den Grundschülern lange und zeitraubende Schulwege ersparen und das soziale Umfeld besser in die schulische Arbeit einbeziehen. In diesem Sinne müssen auch Unterschreitungen der Mindestschülerzahlen zur Klassenbildung außerhalb der Ballungsräume möglich sein. Nur so kann auch in Zukunft eine flächendeckende Versorgung mit Grundschulunterricht im ländlichen Raum gewährleistet werden.
Die Anpassung von Schulgebäuden und Klassenräumen ist notwendig, um den neuen pädagogischen Konzepten und Aufgaben sowie dem ab 2026 gesetzlich geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung gerecht zu werden. Neben Fachräumen für den Unterricht sollten auch Bewegungs- und Ruheräume, Essensräume, Bibliotheken sowie Räume für spielerische und handwerkliche Aktivitäten berücksichtigt werden. Es ist ebenso wichtig, Raum- und Ausstattungskonzepte für den Einsatz digitaler Medien zu entwickeln.
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