Die Diskussion zwischen dem Sächsischen Lehrerverband und dem Staatsminister für Kultus, Conrad Clemens, war bereits im Vorfeld von Spannung geprägt. Das Gespräch am 13. März 2025 fand nur wenige Tage nach der Veröffentlichung des Maßnahmenpakets des Staatsministers statt, das unter den Lehrkräften große Empörung ausgelöst hatte. Ursprünglich als routinemäßiger Austausch geplant, wurde die Tagesordnung kurzfristig geändert, um sich vorrangig mit den umstrittenen Maßnahmen zu befassen.
Massive Mehrbelastung und mangelnde Wertschätzung
SLV-Landesvorsitzender Michael Jung brachte den Unmut der Lehrkräfte auf den Punkt. Die geplanten Maßnahmen würden als Angriff auf Lehrkräfte und Schulleitungen wahrgenommen – insbesondere wegen der Verschiebung der Altersermäßigungen, der Kürzung der Anrechnungsstunden und der Umlenkung von Lehrkräften zwischen den einzelnen Schularten. Diese Schritte bedeuteten nicht nur eine erhebliche Mehrbelastung, sondern auch eine erneute Benachteiligung jener Lehrkräftegeneration, die bereits unter Zwangsteilzeit und Gehaltseinbußen gelitten hat und nie die Chance auf die Verbeamtung erhielt. Michael Jung betonte, dass die Maßnahmen auf breiter Ebene Unverständnis hervorrufen – nicht nur bei den Lehrkräften, sondern auch bei Mitarbeitern des SMK, in den LaSuB-Standorten und bei politischen Parteien im Landtag.
Verschiebung der Altersermäßigungen: Ein Affront gegen erfahrene Lehrkräfte
Besonders heftig kritisierte der SLV die geplante Verschiebung der Altersermäßigungen. Künftig sollen Lehrkräfte erst ab dem 63. Lebensjahr eine Wochenstunde Ermäßigung erhalten – ein herber Einschnitt, der von den erfahrensten Lehrkräften als mangelnde Anerkennung empfunden wird. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen haben das Bildungssystem trotz widriger Umstände über Jahre hinweg am Laufen gehalten. Diese Maßnahme ist aus der Sicht des SLV weder motivierend noch vertrauensbildend. „Nach so vielen Jahren harter Arbeit fühlt sich das wie ein Schlag ins Gesicht an“, beschrieb Doreen Stockmann vom Geschäftsführenden Vorstand die Stimmung vieler Betroffener.
Staatsminister Clemens argumentierte, dass die bisherige Regelung nicht zu einer längeren Verweildauer im Schuldienst geführt habe und die gesundheitliche Situation älterer Lehrkräfte besser sei als angenommen. Der SLV wies diese Einschätzung entschieden zurück und verwies auf die steigenden psychischen und physischen Belastungen im Lehrberuf.
Der SLV fordert stattdessen freiwillige Teilzeit ab 58 Jahren und die Entfristung der MAU-Regelung mit Bezahlung jeder Mehrarbeitsstunde nach dem Tabellenentgelt. Diese Maßnahmen würden den Belastungen älterer Lehrkräfte gerecht und Anreize schaffen, länger im Schuldienst zu bleiben.
Kürzung der K6/K9-Anrechnungsstunden: Gleichstellung begrüßenswert, Folgen jedoch problematisch
Ein weiterer Streitpunkt ist die geplante Kürzung der schulbezogenen Anrechnungsstunden an Gymnasien um zehn Prozent sowie die Umwandlung der K6/K9-Minderung in ein schulisches Budgetmodell. Während der SLV die Ausweitung der K6/K9-Regelung auf berufliche Gymnasien als überfällige Gleichstellung begrüßte, kritisierte er die Kürzung scharf. Gerade in korrekturintensiven Zeiten seien diese Stunden unerlässlich. Eine Reduzierung führe unweigerlich zu steigender Arbeitsbelastung und Qualitätseinbußen.
Auch die Umstellung auf ein schulisches Budgetmodell sieht der SLV kritisch. Zwar schaffe es mehr Flexibilität für Schulleitungen, doch bestehe die Gefahr, dass mit begrenzten Ressourcen nicht alle notwendigen Entlastungen abgedeckt werden können.
Einstellung und Versetzung von Lehrkräften: Keine nachhaltige Lösung
Besonders umstritten sind auch die geplanten Versetzungen und Abordnungen von Lehrkräften zwischen den Schularten. Staatsminister Clemens begründete diesen Schritt mit der ungleichen Unterrichtsversorgung in Sachsen und betonte die Notwendigkeit flexibler Personaleinsätze.
Der SLV widersprach dieser Argumentation entschieden. Diese Maßnahme sei keine nachhaltige Lösung des Lehrkräftemangels, sondern lediglich eine Umverteilung von Engpässen. Besonders personell gut aufgestellte Gymnasien und Grundschulen seien betroffen, da sie Lehrkräfte an Oberschulen abgeben müssten und dadurch dann selbst mit Einschränkungen im Regelunterricht kämpfen.
Begrenzung der Anrechnungsstunden für Fachberaterinnen und Fachberater: Qualitätsverlust befürchtet
Die geplante Begrenzung der Anrechnungsstunden für Fachberaterinnen und Fachberater auf maximal vier Wochenstunden stieß ebenfalls auf massive Ablehnung. Fachberaterinnen und Fachberater spielen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung und Fortbildung von Lehrkräften, insbesondere von Seiteneinsteigern und fachfremd unterrichtenden Lehrkräften. Ihre Arbeit trägt maßgeblich zur Sicherung der Unterrichtsqualität bei.
Der SLV machte deutlich, dass diese Kürzung nicht nur die Attraktivität der Tätigkeit mindert, sondern auch deren Effizienz einschränkt. Bereits jetzt wirken viele Fachberaterinnen und Fachberater weit über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinaus. Eine Reduzierung der Stunden würde die Qualität der Lehrerbildung und -unterstützung erheblich gefährden.
Gruppenoptimierung der Referendarausbildung: Einschränkungen bei der Ausbildungsqualität
Die geplante Vergrößerung der Ausbildungsgruppen und die gleichzeitige Verringerung der Absenkung des Regelstundenmaßes für Ausbildungsleiterinnen und -leiter stießen ebenfalls auf deutliche Kritik. Der SLV warnte, dass diese Maßnahmen die Qualität der Lehrerausbildung massiv beeinträchtigen könnten.
Größere Gruppen erschwerten die individuelle Betreuung der Referendarinnen und Referendare. Weniger Zeit für Beratung und Unterstützung gefährde die intensive Begleitung, die insbesondere Seiteneinsteigende und Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst dringend benötigten.
Neuregelung der schulischen Integration: Gefahr für individuelle Förderung
Die geplante Neuregelung der schulischen Integration hat der SLV bereits mehrfach kritisiert. Die Einführung von Mindestschülerzahlen für Vorbereitungsklassen und die Begrenzung der individuellen DaZ-Förderung auf fünf Jahre würden den Bildungserfolg betroffener Kinder gefährden und Lehrkräfte überfordern.
Die starre Begrenzung werde der Realität nicht gerecht und schränke die Chancengleichheit ein. Der SLV fordert daher eine bedarfsgerechte Zuweisung von DaZ-Stunden und die Anerkennung von DaZ als eigenständiges Fach.
GTA-Koordination: Einschränkung der Aufgabenverteilung sorgt für Kritik
Das SMK plant, die Koordination der Ganztagsangebote (GTA) künftig ausschließlich durch Assistenzkräfte durchführen zu lassen. Lehrkräfte sollen nur noch dann eingesetzt werden, wenn keine Assistenzkraft verfügbar ist.
Der SLV sieht darin die Gefahr, dass die organisatorische und inhaltliche Qualität der GTA-Koordination leidet. Zudem warnte er davor, dass nicht an allen Schulen überhaupt oder genügend Assistenzkräfte zur Verfügung stehen.
Der SLV forderte in diesem Zusammenhang eine konsequente Umsetzung des Koalitionsvertrags, der einen deutlichen Aufwuchs an Assistenzstellen vorsieht. Nur mit ausreichend unbefristet eingestelltem Unterstützungspersonal an allen Schulen könne der Ausbau und die Etablierung multiprofessioneller Teams gelingen.
Ziele des SMK
Kultusminister Conrad Clemens wurde im Gespräch nicht müde zu betonen, dass die geplanten Maßnahmen dringend notwendig seien, um den Unterrichtsausfall insbesondere an Oberschulen und Förderschulen zu verringern und das Lehrerarbeitsvermögen zu erhöhen. Dafür seien ein enger Austausch und Vorschläge von an Schule Beteiligten notwendig – der SLV steht bereit dafür.
Bis Ende Mai 2025 soll über die Umsetzung des Maßnahmenpakets entschieden werden. Die laufende Arbeitszeitstudie wird definitiv abgeschlossen und ihre Ergebnisse könnten gegebenenfalls zur Einführung eines Vorgriffstundenmodells führen. Dieses Modell sieht vor, dass Lehrkräfte in einer Ansparphase Mehrarbeit leisten müssen, die bei einer Entspannung der Personalsituation im Freistaat durch eine reduzierte Arbeitszeit ausgeglichen wird.
Während diese Maßnahme vor allem junge verbeamtete Lehrkräfte betrifft, richtet sich die geplante Verschiebung der Altersermäßigungen hauptsächlich an ältere Kolleginnen und Kollegen. Damit und durch die Versetzung und Abordnung von Lehrkräften zwischen den verschiedenen Schularten solle die Last des Lehrkräftemangels und des Unterrichtsausfalls auf mehrere Schultern verteilt werden.
Nach Ansicht von Conrad Clemens sei das SMK bereits mit Augenmaß in Bezug auf die Reduzierung der schulbezogenen Anrechnungsstunden um zehn Prozent und die Begrenzung auf maximal vier Wochenstunden bei Fachberaterinnen und Fachberatern vorgegangen. Gleichzeitig sei der Aufwand für Lehrkräfte verringert worden, etwa durch weniger Korrekturen und Klausuren sowie den Verzicht auf verbale Einschätzungen bei den Kopfnoten. Das SMK sei offen für weitere Ideen, wobei der Fokus stets auf der Sicherstellung des Unterrichts liegen müsse. Letztlich hätten die geplanten Maßnahmen nur einen vorübergehenden Charakter; bei einer Entspannung der Personalsituation würden Anrechnungsstunden wieder gewährt.
SLV fordert nachhaltige Lösungen
Der SLV machte deutlich, dass kurzfristige Maßnahmen auf Kosten der Lehrkräfte keine nachhaltige Lösung darstellen. Statt weiterer Mehrbelastungen braucht es echte Anreize und strukturelle Verbesserungen, um den Lehrberuf attraktiver zu machen und den Unterricht langfristig abzusichern.
Er fordert freiwillige Teilzeit ab 58 Jahren, die Entfristung der MAU-Regelung mit Bezahlung jeder Mehrarbeitsstunde nach Tarifentgelt, den Aufwuchs von Assistenzstellen und die Schaffung zusätzlicher E-14-Stellen für angestellte Lehrkräfte. Zudem setzt sich der SLV für tariflich vergütete Klassenleiter- und Tutorstunden sowie die Anerkennung von DaZ als eigenständiges Fach ein.
In der Lehramtsausbildung fordert der SLV eine Erhöhung der Bestehenszahlen im Studium und eine bessere Verzahnung von SMK und SMWK. Der SLV bleibt entschlossen, sich für die Interessen der Lehrkräfte einzusetzen und erwartet vom SMK einen echten Dialog und tragfähige Lösungen.