Als im vergangenen Jahr der politische Prozess zur Änderung des Schulgesetzes stattfand, hat sich der Sächsische Lehrerverband stets zum leistungsgerechten Schulsystem in seiner bestehenden Form positioniert und sich in den Anhörungen gegen die Einführung von „längerem gemeinsamen Lernen“ bzw. Gemeinschaftsschulen ausgesprochen. Nach der Verabschiedung der Gesetzesnovelle wurde bald deutlich, dass es ein Bündnis, befördert durch die Parteien Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und speziell auch die GEW Sachsen, geben würde, welches nun auf dem Weg der Volksgesetzgebung dieses Vorhaben quasi nachträglich noch umzusetzen versucht. Für einen Volksantrag, mit dem ein entsprechender Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht werden soll, will das Bündnis nun 40.000 Unterstützerunterschriften sammeln. Aus Sicht der sächsischen Lehrkräfte ist die Einführung einer weiteren Schulart „Gemeinschaftsschule“ allerdings nicht zu empfehlen. Das ist das Ergebnis der Arbeit der AG „Bewährte Schulstrukturen beibehalten“, die sich aus Vertretern des SLV-Landesvorstands zusammensetzt. Sie hat noch einmal alle Argumente gründlich abgewogen und vor allem auch den Kontakt zu den Lehrerverbänden in den anderen Bundesländern gesucht. Deren Erfahrungen aus seit Langem bestehenden oder vor Kurzem erst eingeführten Gemeinschaftsschulen haben zur abschließenden Positionierung entscheidend beigetragen: Der SLV positioniert sich, ähnlich wie das auch die Lehrerverbände PVS und LVBS tun, gegen die Einführung von Gemeinschaftsschulen in Sachsen.
* Wenn das an einem künftigen Standort einer Gemeinschaftsschule nicht angeboten werden kann, müssen Kinder entweder komplett die Schule wechseln, für einzelne Fächer an einen anderen Standort gehen oder es müssen verschiedene Schularten in einer Region miteinander andere Detailabsprachen treffen, um eine gemeinsame Unterrichtung zu koordinieren.
Weitere Aspekte, die gegen die Einführung von Gemeinschaftsschulen sprechen:
- Gemeinschaftsschulen gefährden Schulstandorte, insbesondere im ländlichen Raum. Sie werden dort mit bestehenden Standorten um Schüler und Lehrer konkurrieren, insbesondere weil eine Gemeinschaftsschule eine gewisse Größe braucht, bevor sich ihr Aufbau lohnt.
- Mit Gemeinschaftsschulen würden unnötige und ineffiziente Parallelstrukturen im sächsischen Schulsystem aufgebaut: Gemeinschaftsschulen bieten nichts, was nicht auch Oberschulen und berufliche Gymnasien leisten können bzw. könnten. Es besteht hier auch die Gefahr, dass dieses Vorgehen ein Einfallstor für die spätere Abschaffung anderer Schularten (Oberschulen, Förderschulen) in Sachsen sein könnte. Denn langfristig könnte hier natürlich die Sinnfrage gestellt werden: Wozu braucht es sie noch, wenn es doch Gemeinschaftsschulen gibt?
- Gemeinschaftsschulen würden alle anderen bestehenden Schularten schwächen. Ressourcen können nun mal nur einmal eingesetzt werden: Im Ministerium bzw. dem LaSuB bliebe noch weniger Kapazität als jetzt schon, um die Qualität in den anderen Schularten zu verbessern, wenn eine neue Schulart die Kräfte bindet. Beim Kampf um Gelder für die Modernisierung maroder Schulgebäude käme ein weiterer Konkurrent hinzu.
- Die bestehenden Schulgebäude sind in ihrer Ausstattung für Gemeinschaftsschulen nicht geeignet.
- Längerer gemeinsamer Unterricht an einer Gemeinschaftsschule führt nicht mehr Schüler zu höheren Bildungsabschlüssen. Aufgrund von Erfahrungen in anderen Bundesländern besteht die berechtigte Sorge, dass das Leistungsniveau insgesamt sinkt.
- Der Leistungsgedanke gerät ins Hintertreffen, weil sich in heterogenen Lerngruppen das Lerntempo quasi automatisch an den leistungsschwächeren Schülern ausrichtet. Je mehr unterschiedliche Leistungsniveaus in einer Klasse, desto schwieriger ist es, für jeden Schüler individuell das richtige Lernangebot zu leisten. Damit können weder lernstarke noch lernschwache Schüler optimal gefördert werden.
- Gemeinschaftsschulen sind/waren in anderen Bundesländern nicht per se erfolgreich. Die Nachteile und Schwierigkeiten werden vom sächsischen Bündnis nicht genannt:
z. B.- Abstieg im Bildungsmonitor nach Umstellung der Schulstruktur (Baden-Württemberg)
- Rücknahme einmal eingeführter Versuche (Sachsen-Anhalt)
- Scheitern einer geplanten Einführungen von längerer gemeinsamer Grundschulzeit wegen geringer Akzeptanz bei bildungsbewussten Eltern (Hamburg)
- Mangel an Gymnasiallehrkräften, die an Gemeinschaftsschulen unterrichten wollen, und Schülermangel (besonders an Schülern mit Gymnasialniveau), was dafür sorgt, dass meist keine Abiturklassen zustande kommen und das Leistungsniveau an Gemeinschaftsschulen insgesamt eher niedrig ist (Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) etc.
Die PISA-Studie war auch ein Beleg dafür, dass Bundesländer, die eine Strukturreform nach der anderen umgesetzt haben, höchstens Mittelmaß erreichten. Der Sächsische Lehrerverband setzt sich daher dafür ein, dass in bewährten Strukturen in Ausstattung und Inhalte investiert wird, anstatt Experimente an einer Schülergeneration durchzuführen.
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