Aktuelles

Ein langer Name mit zu wenig Inhalt!

Unter Federführung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entstand ein neues Berufsbildungsgesetz, welches zum 1. Januar 2020 in Kraft treten wird. Während Bundesbildungsministerin Anja Karliczek das Gesetz in höchsten Tönen lobt, hat der Sächsische Lehrerverband eine wesentlich kritischere Sicht darauf. Mit dem Gesetz sollten im Wesentlichen drei Schwerpunkte verfolgt werden: Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Berufsausbildung, Erhöhung der Mindestausbildungsvergütung für Auszubildende und Schaffung von beruflichen Fortbildungsstufen, insbesondere für die höherqualifizierende Berufsausbildung. Im Einzelnen sind insbesondere folgende Ziele nennenswert:

  • Die Steigerung der Attraktivität der dualen Berufsausbildung für Auszubildende wie für Betriebe
  • Mehr Möglichkeiten der beruflichen Aufstiegsfortbildung
  • Eine Modernisierung von Verwaltungsverfahren und hier insbesondere von Prüfungsverfahren
  • Eine höhere Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen beruflichen Bildungsgängen
  • Die Gewinnung von beruflich qualifizierten Fachkräften für die Wirtschaft

Damit versucht die Bundesregierung auf einige wichtige Entwicklungen der letzten Jahre zu reagieren. Der Trend zugunsten des Hochschulstudiums gegenüber der dualen Berufsausbildung ist ungebrochen. Seit 2013 liegt die Zahl der Studienanfänger über der Zahl der Auszubildenden in der dualen Ausbildung. Das Ausbildungsplatzangebot ist in den letzten Jahren deutlich schneller gestiegen als die Zahl der abgeschlossenen
Ausbildungsverträge.
Leider bleibt das Gesetz in entscheidenden Fragen die Antworten schuldig. Der Rückgang des Anteils von Klein- und Kleinstbetrieben an der Berufsausbildung wird sich fortsetzen. Weniger als ein Fünftel der Betriebe bildet noch aus. Die Ausbildungsquote ist seit 2017 unter 20 Prozent gesunken – und sie wird weiter fallen! So begrüßenswert die Anhebung der Mindestausbildungsvergütung auch ist (ab 2020 im ersten Ausbildungsjahr 515 Euro, im zweiten 608 Euro und im dritten 695 Euro; weitere Steigerungen bis 2023), die kleinen Betriebe werden dies oft nicht schultern können. In Sachsen liegen zurzeit rund 45 Prozent der Lehrverträge unter diesen Mindestsätzen. Warum ist die Bundesregierung hier nicht den zahlreichen Vorschlägen gefolgt, welche eine steuerrechtliche Besserstellung von Ausbildungsbetrieben gegenüber nichtausbildenden Betrieben vorsahen? Dies wäre durchaus gerecht gewesen: Wer etwas in die Zukunft des Landes investiert, soll dies auch anerkannt bekommen.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Prüfungsverfahren. Die Prüfungen nach dem BBiG werden von ehrenamtlichen Prüfern abgenommen. Die Anforderungen an die Prüfer haben in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen, sowohl in der Qualität wie auch in der Rechtssicherheit und im Zeitaufwand. Es ist daher nicht verwunderlich, dass immer weniger Prüfer gefunden werden. In Sachsen kommt noch der demographische Faktor erschwerend hinzu.
Das Hauptproblem ist jedoch das Prüfungsverfahren selbst. Leider wurde es mit diesem Gesetz verpasst, das mittelalterliche, zeitpunktbezogene durch ein modernes, zeitraumumfassendes Prüfungsverfahren zu ersetzen. Ein Verfahren, welches sowohl die Leistungen im Betrieb wie auch in der Berufsschule über den gesamten Zeitraum der Ausbildung widerspiegelt. Ob man dies mit einer Art „Credit-Point-System“ bewältigt – die Hochschulen haben es ja mit dem „European Credit Transfer System“ vorgemacht –, sei dahingestellt. Eine Aufnahme der Berufsschulnote auf das Kammerzeugnis (und dies auch nur, wenn es vom Auszubildenden gewünscht wird) nach § 37 ist keine angemessene Berücksichtigung der Berufsschulleistungen. Im Übrigen könnte hiermit auch der enorme Prüfungsaufwand reduziert werden. Es ist auch wiederum nicht geregelt worden, wie der durch die Prüfungen bei den beteiligten Berufsschullehrkräften verursachte Unterrichtsausfall kompensiert werden soll. Offen bleibt auch die Rolle der Berufsschulen im Bereich der Weiterbildung. Der Erwerb von anerkannten beruflichen Zusatzqualifikationen in der Berufsschule ist doch naheliegend.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass leider bei den sogenannten „theoriegeminderten Helferberufen“ keine Regelungen getroffen wurden. Es wird auch in Zukunft ein wildes Durcheinander an verschiedenen Berufsbildern mit verschiedenen Ausbildungsinhalten geben. Somit sind diese Abschlüsse auch weiterhin nicht bundesweit anerkannt. Die meisten Probleme ergeben sich daraus, dass die Bundesebene die alleinige Gestaltungshoheit für die duale Berufsausbildung beansprucht. Die Länder mit ihren Berufsschulen spielen eine untergeordnete Rolle. Dabei müssten beide Lernorte – die Betriebe mit dem Ausbildungsrahmenplan und die Berufsschulen mit dem Rahmenlehrplan – gemeinsam die Ausgestaltung der Berufsausbildung übernehmen.

Neben den ausgeführten Kritikpunkten soll aber natürlich erwähnt werden, dass das BBiMoG in vielen Teilen Verbesserungen enthält. Dies betrifft z. B. die neuen Fort- und Weiterbildungsabschlüsse („Berufsspezialist“, „Berufsbachelor“, „Berufsmaster“) oder die verbesserte Durchlässigkeit bei aufeinander aufbauenden Ausbildungsberufen („gestufte Ausbildung“). Es bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz die Bundesrepublik
Deutschland auch in der Zukunft bei der Berufsausbildung international als ein Vorbild dastehen lässt. Wie bei der Digitalisierung im Bildungsbereich drohen allerdings andere Staaten uns den Rang abzulaufen.