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Im Gespräch mit Referatsleiter Dr. Heinrich

Einer langjährigen Tradition folgend, tauschten sich Vorstandsmitglieder des Fachverbands Gymnasien im SLV am 22. Januar 2019 mit Dr. Heinrich, Referatsleiter Gymnasien im Sächsischen Kultusministerium, zu Neuerungen und Problemen unserer Schulart aus.

Änderungen der Stundentafel und des Profilunterrichts

Die ab dem neuen Schuljahr 2019/20 umzusetzenden Änderungen der Stundentafel bringen Vor- und Nachteile, darin sind sich das SMK und unser Fachverband einig. Die Entlastung der sächsischen Schüler ist sicher nur vordergründiger Anlass der Kürzung; ihre Wochenstunden werden um vier Prozent reduziert und damit an bundesdeutsches Niveau angeglichen. Dass dabei Lehrerstellen im Umfang von 800 Vollzeitäquivalenten eingespart werden – ein willkommener Effekt angesichts des Personalmangels –, verschweigt das SMK nicht.
Bei der Auswahl der zu kürzenden Fächer wurde eine gleichmäßige Verteilung auf alle Fächergruppen angestrebt. Daraus resultiert beispielsweise die Reduzierung des Deutschunterrichts in Klasse 4, welche von allen Beteiligten kritisch gesehen wird.
Neu sind fünf flexible Stunden anstelle des bisherigen Förderunterrichts, die der Schulleiter nach Bedarf auf alle Klassenstufen verteilen kann, z. B. um Kürzungen der Stundentafel wieder aufzuheben. Zwei Schülerwochenstunden für selbstorganisiertes Lernen ohne Lehrer können z. B. für die Erstellung der Komplexen Leistung genutzt werden. Wahlpflichtbereiche werden in allen Fächern künftig zu Wahlbereichen.
Die Lehrpläne werden sowohl in den gekürzten als auch in allen anderen Fächern überarbeitet. Als Schwerpunkte sollen digitale und politische Bildung sowie Bildung für nachhaltige Entwicklung verankert werden. Alle Überarbeitungen sollen zum Schuljahr 2019/20 in Kraft treten. Es gibt zudem Überlegungen zur Einrichtung von Leistungskursen in den Fächern GRW und Informatik zu einem späteren Zeitpunkt, wobei dies sehr genau abzuwägen ist, da zusätzliche Kurse immer eine Schwächung der Schülerzahl anderer Kurse verursachen.
Bis 2030 ist eine grundlegende Modernisierung aller Lehrpläne auf der Grundlage einer breiten schulpolitischen Diskussion geplant.
Zu Änderungen des Profilunterrichts und der Einrichtung schuleigener Profile liegen dem SMK nur wenige Rückmeldungen vor, es erfolgt keine Abfrage dazu bei den Schulen.

Personalmangel in einigen Fächern

Die Vertreter des Fachverbands Gymnasien sprachen das Problem fehlender Absolventen insbesondere im Fach Mathematik an, das offenbar auch auf dem fachlichen Bruch beim Übergang vom Gymnasium an die Universität beruht. Hochschulen und Universitäten sind auf Wissenschaft und weniger auf die Anwendung fokussiert. Studenten für das Lehramt Mathematik scheitern häufig an Studieninhalten, die mit dem Lehrplan des Gymnasiums oder anderer angestrebter Schularten nichts gemein haben. Dieses Problem ist dem SMK bewusst. Der Arbeitskreis Schulmathematik sowie eine bundesweite Kommission für den Übergang zwischen
Gymnasium und Universitäten bemühen sich um die Angleichung der schulischen und universitären Inhalte.
Die Personalsituation an Gymnasien wird von LaSuB und SMK immer noch als weniger dramatisch eingeschätzt als an anderen Schularten. Richtig ist, dass es mehr Bewerber als Stellen für das Lehramt an Gymnasien gibt. Dennoch finden sich in bestimmten Regionen (insbesondere Chemnitz, Lausitz) und Fächern (insbesondere MINT-Fächer, z. T. Sprachen) seit Jahren trotz schulscharfer Ausschreibungen kaum vollständig ausgebildete Lehrkräfte. Per 8. Januar 2019 arbeiten 206 Seiteneinsteiger an Gymnasien; an Oberschulen sind es 1.262 Seiteneinsteiger. Aus unserer Arbeit in den Bezirkspersonalräten und dem Lehrerhauptpersonalrat wissen wir, dass die Anzahl der Bewerber mit einem Studienabschluss, der sich einem Unterrichtsfach zuordnen lässt, stetig abnimmt. Auch der Markt für Seiteneinsteiger ist also fast leer gefegt.

Unmut über fehlende Zulagen

Die fehlende Zulage für Lehrkräfte in EG 14 mit Sonderaufgaben, wie Fachleiter, Fachberater, Oberstufenberater u. ä., sorgt derzeit für großen Unmut bei dieser Beschäftigtengruppe. Dies trifft insbesondere erst kürzlich in die EG 14 Stufe 5 höhergruppierte Lehrkräfte: Sie erhalten aufgrund der nicht stufengleichen Höhergruppierung und der geringeren Jahressonderzahlung ein um ca. 610,00 brutto geringeres Jahresgehalt als Beschäftigte ohne Sonderaufgabe in EG 13 mit Zulage.
Eine Lösung für diese Ungerechtigkeit wurde vom Fachverband im Gespräch mit Dr. Heinrich dringend angemahnt, wobei die Zuständigkeit bei anderen Referaten bzw. bei politischen Akteuren liegt. Die Gewährung der Zulage ausschließlich für Beschäftigte der EG 13 ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers und eine Nachbesserung ist gegenwärtig nicht in Sicht. Die Gewährung anderer Zulagen, z. B. nach TV-L § 16 Abs. 5, lehnt das Finanzministerium ab. Unter diesen Umständen ist es sehr fraglich, ob künftig noch Lehrkräfte zur Übernahme von Sonderaufgaben bereit sein werden.

Entlastungen in der Prüfungszeit

Die Korrekturen der Abiturprüfungen sind ein Dauerbrenner in der Diskussion um Entlastungen und Arbeitserleichterungen, zumal die Korrekturzeiträume in einigen Fächern aufgrund der ländergemeinsamen Abiturtermine extrem kurz sind. Obwohl Staatssekretär Wolff im Schulleiterbrief vom 26. Juni 2018 klare Vorgaben machte, ist es längst nicht überall selbstverständlich, die Korrektoren in der Korrekturzeit von Vertretungen zu befreien oder Korrekturtage nach Bedarf zu gewähren. Der Arbeitsaufwand der Korrektoren in textintensiven Fächern, insbesondere Deutsch, führt in der Korrekturzeit zu Wochenarbeitszeiten zwischen 50 und 60 Stunden, während das Arbeitszeitgesetz eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorsieht. Die von den Personalräten oft gehörte Argumentation des SMK, der Ausgleich erfolge ja kurz danach in den Sommerferien, ist nicht akzeptabel, denn Arbeitszeitkonten sind im Lehrerbereich nicht statthaft. Der Lehrerhauptpersonalrat forderte das SMK bereits mehrfach auf, die Arbeitszeit von Lehrkräften, u. a. Höchstarbeitszeit, Ruhepausen und Mindestruhezeiten, endlich klar zu regeln. Grundlage müssen dabei das Arbeitszeitgesetz bzw. die europäische Richtlinie 2003/88/EG sein.
Immerhin ist es in diesem Schuljahr erstmals gelungen, die BLF-Termine vor den Prüfungszeitraum zu legen. Ziel ist die Entlastung insbesondere der Lehrkräfte, die in die Korrekturen von BLF UND Abitur eingebunden sind.

Das Worturteil für Abituraufsätze im Fach Deutsch durch eine effektivere, zeitsparende Lösung zu ersetzen, war ebenfalls eine langjährige Forderung unseres Fachverbands sowie des Lehrerhauptpersonalrats.
Das Urteil ganz wegzulassen ist nicht möglich und aus fachlicher Sicht auch nicht sinnvoll. Eine verbale Einschätzung des Aufsatzes muss laut Vorgabe der Kultusministerkonferenz erstellt werden, für den Drittkorrektor und als nachvollziehbare Dokumentation für den Fall einer Klage.
Frau Lenk, Referentin im Referat Gymnasien des SMK, stellte uns am 22. Januar 2019 nun die vom SMK geplante Lösung vor, die bereits an 30 Gymnasien in Klausuren und im Abitur 2019 erprobt wird. Die bisher geltenden Kriterien der Aufsatzbewertung werden beibehalten und in Kriterienraster eingearbeitet. Es gibt künftig für jede Aufgabenart ein gesondertes Kriterienraster, ähnlich der im Fach Englisch verwendeten Matrix. Diese Kriterienraster sind in einem Online-Tool zugänglich, das aus technischen, rechtlichen und organisatorischen Gründen über das Schulportal zur Verfügung gestellt werden soll und nach dem Zugang auch offline nutzbar ist. Kein Lehrer wird aber verpflichtet, das Schulportal zu nutzen: Es soll auch eine Papierform der Bewertungsmatrix geben, bei der allerdings der Korrekturaufwand höher sein wird als bei der elektronischen Variante.
In dem elektronischen Tool gibt der Korrektor für jeden Aufsatz seine Bewertung ein, indem er zu jedem der neun Kriterien die erreichte Spanne der Notenpunkte anklickt. Die zugehörigen Textbausteine sind hinterlegt und werden vom Computer zum Worturteil zusammengefügt, sodass die Lehrkraft keinen eigenen Text mehr verfassen muss. Das System wichtet die Kriterien automatisch und rechnet einen Bewertungsvorschlag für den Aufsatz aus, den der Fachlehrer noch verändern kann. Die eingegebenen Daten lassen sich speichern und später weiter bearbeiten. Zum Schluss muss die Bewertung ausgedruckt und dem korrigierten Aufsatz beigelegt werden, so wie bisher das Worturteil.
Frau Lenk berichtete, dass die an der Erprobungsphase beteiligten Fachlehrer diese neue Methode der Kriterienraster als sehr zeitsparend und entlastend empfinden. Sicher ist eine Einarbeitungszeit nötig, aber die Eingabe wird mit zunehmender Routine immer schneller. Zudem schafft das System eine gewisse Standardisierung der Bewertung und man hofft, die Anzahl der Drittkorrekturen reduzieren zu können.
Aus Sicht des Fachverbands Gymnasien ist die computergestützte Bewertung nach Kriterienrastern eine zukunftsweisende Methode, die den Korrektoren im Fach Deutsch eine dringend notwendige Entlastung verschaffen kann. Das System der Kriterienraster soll ab dem Abitur 2020 verbindlich an allen Gymnasien genutzt werden. Dazu wird es in Kürze eine Testversion sowie Fortbildungen für Fachlehrer geben.

Der regelmäßige Gedankenaustausch zwischen dem Fachverband Gymnasien im SLV und dem Referat Gymnasien im Kultusministerium wird von beiden Seiten als Möglichkeit gesehen, Verbesserungen für die Schulen und Lehrkräfte auf den Weg zu bringen. Nicht jede Idee lässt sich umsetzen, aber in Zeiten des Lehrermangels hat offenbar ein Umdenken im SMK eingesetzt und viele unserer Vorschläge stoßen auf offenere Ohren, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war.