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Kein Freifahrtschein für die Umsetzung unpopulärer Maßnahmen

©R. Michel, SLV

Das von der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) am 27. Januar 2023 vorgelegte Gutachten zum Umgang mit dem bundesweit vorherrschenden Lehrkräftemangel lehnt der SLV in aller Deutlichkeit ab. Die Empfehlungen sind ein Affront gegen die sächsischen Lehrkräfte, die mittlerweile seit Jahren an der Belastungsgrenze und darüber hinaus arbeiten. Zudem sieht der SLV darin eine Legitimation für die Umsetzung der unpopulären Maßnahmen des SMK zur Gewinnung zusätzlichen Lehrerarbeitsvermögens.

„Das SWK-Gutachten ist ein Schlag ins Gesicht der Lehrerinnen und Lehrer, die derzeitig alles dafür tun, um den Schulbetrieb am Laufen zu halten. Ablehnung von Teilzeitarbeit, Anhebung der Unterrichtsverpflichtung, Einsatz von Senior-Lehrkräften im Unterricht, vermehrte Abordnungen an andere Schularten, Heraufsetzen von Klassenobergrenzen – das sind Maßnahmen ganz im Sinne des sächsischen Kultusministeriums. Aber die SWK-Empfehlungen dürfen keineswegs zum Freifahrtschein für ihre Umsetzung werden“, konstatiert Michael Jung, amtierender Landesvorsitzender des Sächsischen Lehrerverbandes.

Selbst wenn die Kommission die zeitliche Befristung der empfohlenen „Notmaßnahmen“ betont, bezweifelt der SLV, dass sie in absehbarer Zeit wieder zurückgenommen werden. Vor 2030 ist nach Angaben des SMK keine Entspannung bei den Schülerzahlen und dem Lehrkräftebedarf zu erwarten. Das bedeutet, die 30 Prozent der sächsischen Lehrkräfte, die jetzt 57 Jahre und älter sind, müssten bis zu ihrem Renteneintritt weiter am Limit oder darüber hinaus arbeiten. 

Außerdem ist es illusorisch, zu glauben, dass durch die vorgeschlagenen Maßnahmen mehr Lehrerarbeitsvermögen gewonnen werden kann. Im Gegenteil, je mehr Arbeit man den Pädagogen aufbürdet, desto eher fallen sie krankheitsbedingt aus. Das beweisen die steigenden Zahlen an Überlastungsanzeigen und Langzeiterkrankungen, die bereits jetzt Tatsache sind.

Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Entlastung, wie sie der SLV seit Jahren fordert und auch die SWK empfiehlt, werden von der Staatsregierung ignoriert und mit der Begründung des Lehrkräftemangels konsequent abgelehnt. Ein Beispiel dafür sind die geforderten unbefristeten Stellen für Assistenzkräfte an den Schulen, die im aktuellen Doppelhaushalt erneut nicht berücksichtigt wurden.

Klare Worte richtet Michael Jung an die Staatsregierung: „Als Spielball der Politik haben die sächsischen Lehrkräfte jahrzehntelang deren Verfehlungen ausgebadet – so z. B. die Zwangsteilzeit, Spardiktate oder unerfüllte Versprechungen aus Maßnahmenpaket, Handlungsprogramm und Koalitionsvertrag in Kauf nehmen müssen. Statt weiterer Repressalien sind spürbare wertschätzende Maßnahmen und bessere Arbeitsbedingungen jetzt angebracht. Ansonsten wird der Lehrerberuf weiter an Attraktivität verlieren.“

Langfristige Lösungen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels sieht der SLV vor allem in der gezielten Lenkung der neu eingestellten Lehrkräfte in die Bedarfsregionen und -schularten sowie in einer stärkeren Regionalisierung der Lehrerausbildung. Außenstellen der Universitäten in Westsachsen und Ostsachsen müssen endlich eingerichtet werden, um mehr sächsischen Abiturienten ein Lehramtsstudium unweit ihrer Heimatorte zu ermöglichen.