Am 6. Februar 2020 fand in der Landesgeschäftsstelle in Radebeul ein Gespräch zwischen dem Sächsischen Staatsminister für Kultus, Christian Piwarz, und dem Geschäftsführenden Vorstand des SLV statt. Auch Referatsleiter Klaus Habermalz und Referent Björn Schaarschmidt nahmen daran teil. In konstruktiver Atmosphäre wurde über die Erwartungen an die Sächsische Staatsregierung, den Koalitionsvertrag und weitere Vorhaben gesprochen.
Christian Piwarz ist seit 18. Dezember 2017 Kultusminister im Freistaat Sachsen. Nach zwei Jahren im Amt wurde er am 20. Dezember 2019 gemeinsam mit den anderen Kabinettsmitgliedern der neuen Koalitionsregierung aus Sächsischer Union, Bündnis 90/Die Grünen und SPD vereidigt. Zuvor wurde von allen drei Parteien der gemeinsame Koalitionsvertrag „Gemeinsam für Sachsen“ unterzeichnet. Darin ist Bildung als erster Schwerpunktbereich auf neun Seiten direkt nach der Präambel dargestellt. Dies zeigt den hohen Stellenwert des Bereichs für die Staatsregierung.
Im Gespräch am 6. Februar 2020 dankte der Kultusminister dem SLV für die „konstruktiv-kritische Zusammenarbeit“ und stellte zunächst wesentliche bildungspolitische Inhalte des Koalitionsvertrages vor. Im Anschluss bestand die Gelegenheit, einige Themen detaillierter zu besprechen.
Aufgrund der parteipolitischen Konstellation sieht der Koalitionsvertag künftig die Möglichkeit der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen von Klasse 1 bis 12 vor. Außerhalb der Ober- und Mittelzentren können sich Oberschulen zur „Oberschule+“ entwickeln, welche die Klassenstufen 1 bis 10 umfasst. Staatsminister Christian Piwarz verwies auf kontroverse Positionen der Koalitionspartner. Für ihn war es wichtig, das Schulsystem und bestehende Schulstandorte nicht zu gefährden.
Der Sächsische Lehrerverband hatte sich bereits vor den Koalitionsverhandlungen gegen Experimente am erfolgreichen sächsischen Schulsystem ausgesprochen. Die beiden Koalitionsparteien Bündnis 90/Die Grünen und die SPD haben den Volksantrag zur Einführung von Gemeinschaftsschulen unterstützt. Somit war absehbar, dass diese zusätzliche Schulart kommen wird. Die gefundenen Formulierungen im Koalitionsvertrag und dem ergänzenden Vereinbarungspapier zur Einführung der Gemeinschaftsschule und der „Oberschule+“ sollen eine Gefährdung anderer Schulstandorte verhindern.
Das muss nach Auffassung des SLV bei der weiteren Umsetzung und Ausgestaltung der rechtlichen Grundlagen höchste Priorität haben. Das parlamentarische Verfahren zum Volksantrag soll laut Kultusminister bis zum Juni 2020 abgeschlossen sein. Auch für ihn ist nicht einschätzbar, wie sich die Lehrerversorgung an der neuen Schulart gestalten wird – Erfahrungen aus Sachsen-Anhalt zeigen, dass sich die Gewinnung des Lehrernachwuchses für Gemeinschaftsschulen am schwierigsten gestaltet. Staatsminister Christian Piwarz machte klar, dass an bestehenden Schulen gegen den Willen der Lehrerkonferenz keine Gemeinschaftsschulen eingerichtet werden. Den Prozess zur Einführung von Gemeinschaftsschulen wird der SLV weiter begleiten.
Der SLV begrüßt, dass sich die Regierungsparteien in den Koalitionsgesprächen darauf geeinigt haben, am Benotungssystem zur Leistungseinschätzung festzuhalten und die Kopfnoten als wichtige Beurteilung der Schülerinnen und Schüler gesetzlich festzuschreiben. Ende des Jahres 2019 hatte der SLV eine Online-Petition für die Beibehaltung der Vergabe der Kopfnoten gestartet und 6.146 Unterstützende gefunden. Christian Piwarz selbst zählte zu den ersten Unterzeichnern der Petition. Diese wird der SLV offiziell an Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler übergeben.
Der Staatsminister berichtete, dass die rechtliche Grundlage zur Vergabe der Kopfnoten Bestandteil eines Artikelgesetzes werden könnte, das noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Gegebenenfalls könnte bis zum Ende der Legislaturperiode das sächsische Schulgesetz novelliert werden.
In den Koalitionsverhandlungen wurden die Erwartungen unserer Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich gewünschter Entlastungen ernst genommen, gleichwohl sich die politischen Akteure ihrer Verantwortung für die Unterrichtsversorgung in Zeiten des Lehrermangels bewusst sind. Eine der zentralen Forderungen des SLV, die Einführung einer Klassenleiterstunde, soll laut dem Koalitionsvertrag ab dem Schuljahr 2023/24 erfolgen. Auch eine perspektivische Senkung des Regelstundenmaßes fand Einzug in den Koalitionsvertrag, wenn es gelingt, genügend Lehrkräfte einzustellen. Die Lehrernachwuchsgewinnung hat also auch für Entlastungen bei der Arbeitszeit eine entscheidende Bedeutung.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Lehrkräfte an sächsischen Schulen mit einer DDR-Ausbildung als Ingenieurpädagoge und vergleichbaren Abschlüssen den Lehrkräften mit vollständiger Lehrerausbildung gleichgestellt werden.
Die Gleichstellung weiterer Gruppen wurde vom SLV angemahnt, um weitere Gerechtigkeitslücken zu schließen. Das betrifft z. B. Ein-Fach-Lehrkräfte oder Erzieher/FPL mit Lehrbefähigung, die an weiterführenden Schulen tätig sind.
Das Problem der Einkommensverluste bei Höhergruppierungen wurde seitens des SLV bereits mehrfach gegenüber dem SMK thematisiert. Hier muss dringend eine sächsische Lösung gefunden werden. Gleiches gilt für Einkommensverluste infolge von Höhergruppierungen von EG 13 Z nach EG 14 infolge der Wahrnehmung besonderer Aufgaben. Die Vertreter des SMK teilten dem SLV mit, dass Beschäftigte, die solche besonderen Aufgaben (wie z. B. Fachleiter) künftig wahrnehmen, selbst entscheiden können, zu welchem Zeitpunkt sie höhergruppiert werden möchten. Das wäre ein Novum, könnte Einkommensverluste verhindern, die höherwertige Aufgabe ist aber dann nicht in jedem Fall mit einem finanziellen Anreiz verknüpft.
Die Vertreter des SMK berichteten, dass jetzt die Ausschreibung von Fachleiterstellen an Oberschulen und Förderschulen erfolgt und diese zum 1.8.2020 besetzt werden. Der SLV kritisierte, dass bislang noch keine Anrechnungsstunden für diese Fachleitertätigkeit vorgesehen sind, was mit dem Anspruch an diese Aufgabe nicht vereinbar ist.
Beförderungsstellen sind nach Auffassung des SLV ein Leistungsanreizsystem. Entwicklungsperspektiven gehören zur Attraktivität des Lehrerberufs. Der begonnene Prozess der Ausbringung höherwertiger Stellen muss deshalb unbedingt fortgesetzt werden. Das SMK plant die Vergabe weiterer höherwertiger Stellen für besondere Aufgaben zum 1.2.2021.
Angesichts der weiter steigenden Schülerzahlen und des bundesweit andauernden Lehrkräftemangels ist die Sicherung der Unterrichtsversorgung auch in den kommenden Jahren wichtig. Um Schulen und Lehrkräfte bestmöglich zu unterstützen, sind in den letzten Jahren zahlreiche Assistenzprogramme eingeführt worden. Die Regierungskoalition setzt diesen Weg fort und wird multiprofessionelle Teams aufbauen, die helfen, alle Aspekte erfolgreicher Schulgestaltung abzusichern. Seitens des SLV wurde im Gespräch angemahnt, dass die Weisungsbefugnisse der Schulleitungen klar geregelt sein müssen.
Die schulische Inklusion soll weiterentwickelt werden. Dazu wird ein unabhängiger Beirat „Inklusive Schule“ eingerichtet. Der SLV möchte sich in diesem Beirat aktiv mit einbringen. Im Rahmen von Kooperationsverbünden soll eine verlässliche Grundausstattung mit Personal und Sachmitteln sichergestellt werden. Der SLV sieht diesbezüglich vor allem Probleme bei der Gewinnung von qualifizierten Sonderpädagogen. Deshalb müssen neue Wege in der Lehrerausbildung beschritten werden.
Laut Koalitionsvertrag sollen die Ganztagsangebote in Zukunft ausgebaut werden. Der SLV wird die angedachte stärkere Rhythmisierung der Ganztagsangebote mit seinen Mitgliedern diskutieren.
Die Themen des Gesprächs zwischen SLV und Kultusminister gingen über den Koalitionsvertrag hinaus. Die Verbeamtung ist aus Sicht des SLV ein wesentliches Merkmal für die Attraktivität des Lehrerberufs und muss auch über das Jahr 2023 hinaus fortgeführt werden. Auch Staatsminister Christian Piwarz steht hinter der Verbeamtung.
Zum laufenden Einstellungsverfahren führte Staatsminister Christian Piwarz aus, dass nicht jeder Bewerber für die Städte bzw. LaSuB-Bereiche Leipzig und Dresden ein Angebot erhalten kann. Es sind aber allen Bewerbern, die Leipzig oder Dresden als Arbeitsort angaben, alternative Angebote unterbreitet worden. Mit allen Bewerbern, die ein persönliches Gespräch wünschten, wurde es geführt. Das Kultusministerium trägt Verantwortung für alle Schulen im Freistaat und deshalb können nicht alle Junglehrer in Leipzig und Dresden eingestellt werden.
Der SLV sieht die langfristige Lösungsperspektive in der Beschreitung neuer Wege in der Lehrerausbildung. Am 29.01.2020 hat Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow angekündigt, dass die Zahl der Studienplätze im Lehramt von derzeit jährlich 2.400 auf 2.700 steigen soll. Aus Sicht des SLV müssen die Lehramtsstudiengänge an den Universitäten in Leipzig, Dresden und Chemnitz langfristig gesichert werden. An der TU Chemnitz ist eine Ausweitung der Lehrerausbildung auch auf die Studiengänge für Oberschullehrer, Förderschullehrer und Berufsschullehrer unerlässlich, um eine flächendeckende Lehrerversorgung im gesamten Freistaat zu gewährleisten. Zusätzlich ist die Lehrerausbildung noch stärker zu regionalisieren, indem Außenstellen der Universitäten in Westsachsen und Ostsachsen eingerichtet werden. Damit kann gleichzeitig mehr sächsischen Abiturienten ein Lehramtsstudium in Sachsen ermöglicht werden. Künftige Zielvereinbarungen mit den Universitäten sollten stärker an der Zahl erfolgreicher Studienabsolventen ausgerichtet werden.
Auch die teils kritische Personalsituation in der Schulaufsicht, insbesondere im Landesamt für Schule und Bildung, wurde thematisiert. Die prekäre Lage an den Standorten Bautzen und Dresden wurde seitens des SLV dargestellt. Sie muss dringend verbessert werden, damit die Arbeitsfähigkeit gewährleistet wird. Das SMK plant die Beantragung zusätzlicher Verwaltungsstellen im nächsten Doppelhaushalt.
Ein weiteres Thema ist die Qualifizierung der Seiteneinsteiger. Der SLV drängt auf Verbindlichkeit der Qualifizierung bis zum vollständigen Abschluss und eine dementsprechende Überprüfung. Seitens des SMK gibt es Überlegungen, künftig Seiteneinsteiger vorerst befristet einzustellen und erst bei entsprechender Qualifizierung die Arbeitsverträge zu entfristen.
Vor Beginn der Koalitionsverhandlungen hat der Sächsische Lehrerverband seine Erwartungen an die künftige Landespolitik formuliert. Natürlich haben nicht alle Positionen und Forderungen Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden, doch für den SLV bleiben sie aktuell und werden weiter verfolgt. Auch in vergangenen Legislaturperioden haben wir am Ende in vielen Punkten mehr erreicht als sich die Regierungskoalition am Anfang vorgenommen hatte. Wir werden gemeinsam mit unseren Mitgliedern die Umsetzung der Vorhaben des Koalitionsvertrages im Sinne der sächsischen Lehrerinnen und Lehrer begleiten und weitere Ziele verfolgen.